In 24 Stunden zur abgestimmten Kostenschätzung

Nicht selten kommt es vor, dass sich durch einen Zufall eine besondere Chance bietet, und man wie aus der Pistole geschossen, eine Kostenschätzung abliefern soll.

Diese Folge beschreibt ein Vorgehen, wie man es tatsächlich sogar im Großunternehmen schaffen kann, eine Kostenschätzung innerhalb von 24 Stunden abzuliefern und sich gleichzeitig bestmöglich absichert.

 

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Die schnelle Kostenschätzung für dein IT-Projekt

Heute geht es darum wie man auf die Schnelle zu einer abgestimmten Kostenschätzung kommen kann. Manchmal gibt es ja einfach Situationen, da hat man maximal 24 Stunden Zeit dazu und benötigt dann auch von unterschiedlichen Fachabteilungen die Zulieferung.

Es kann zum Beispiel sein, dass der Vertrieb im letzten Moment noch eine Chance bekommt an einer laufenden Ausschreibung teilzunehmen und braucht dafür bis morgen eine Kostenschätzung. Ansonsten kann man daran nicht mehr teilnehmen.

Oder dein Chef bekommt von seinem Chef die Ansage: “Ich brauche von dir bis morgen die Kostenschätzung, egal was passiert”.

Und da ich diese Situation schon selbst erlebt habe, würde ich darauf gerne mal etwas näher eingehen.

Stell dir mal folgendes Szenario vor: Dein Chef kommt zu dir und erzählt dir von einem bestimmten Vorhaben, es soll etwas entwickelt werden. Und dann erklärt er dir auch die drei Haupt-Use-Cases, oder Epics und sagt dir bis wann das Ganze fertig sein soll. Anschließend bittet er dich eine Kostenschätzung bis morgen zu machen. Jetzt kann man dem Ganzen gegenüberstehen und sagen:

Geht nicht. Sorry, Chef, das ist einfach nicht realistisch schätzbar, ich habe keinen Projektauftrag, ich habe keine schriftliche Spezifikationen und die Abstimmung mit den Fachbereichen in 24 Stunden, das ist absolut utopisch. Alleine schon einen Termin zu finden innerhalb von drei Tagen an dem alle Zeit haben, das wird schon schwer genug.”

Kann man machen, dann geht dein Chef allerdings zu deinem Kollegen und der macht die Schätzung. Und wenn der das dann hin bekommt, egal wie gut die Schätzqualität ist, sieht das für dich karrieretechnisch eher ungünstig aus. Dein Chef wird dann nämlich in seinem Gedächtnis haben:

  1. Du willst nicht und
  2. für schwierige, also prestigereiche Projekte, da frage ich nächstes Mal lieber den Kollegen. 

Okay. Wir entscheiden uns jetzt mal dafür, dass wir das annehmen wollen. Challenge accepted. Und als erstes achte auf deine Formulierung. Achte auf deine Formulierung bei der Zusage gegenüber deinem Chef. Sag besser nicht so etwas wie: “Alles klar, dass bekommen wir hin.”

Das kannst du nämlich noch nicht sicherstellen! Du kennst nicht die Verfügbarkeit der Fachabteilung. Und das Schlimmste, was auf gar keinen Fall passieren darf ist, dass du die Schätzung alleine machst. Warum? Zwei Gründe.

  1. Du bist nicht für alles der Fachexperte, du bist kein Fachexperte für das Thema Design, Frontend, Backend, Security, Datenschutz… Daher wird vermutlich deine Schätzung sehr weit weg von der Realität sein. Und
  2. du versaust es dir schon mit deinem zukünftigen Team, bevor das Projekt überhaupt begonnen hat. Die Fachbereiche fühlen sich übergangen und da die Schätzung nicht von ihnen war, werden sie sich auch in keinster Weise später verpflichtet fühlen diese Schätzung im Projektverlauf einzuhalten. Das heißt, bei späteren Kostenabweichungen werden dann immer leidenschaftslos sagen: Ja, wir wurden ja nicht gefragt. Also, achte da auf deine Formulierung und zeig deinem Chef eher, dass du dir ganz viel Mühe geben wirst. Und, dass du hoffst, dass alle Fachabteilung schnellstmöglich zuliefern können.

Dann würde ich als nächstes den Chef jetzt noch nicht gehen lassen. Ich würde ihn bitten, dass er oder seine Teamassistenz einen Termin einstellt. Warum er? Warum nicht du? Er hat mit seiner Autorität wesentlich mehr Power im Unternehmen als du. Und das erhöht die Chance, dass die Leute auch tatsächlich so kurzfristig zusammenkommen. Dein Chef wird dann sehr wahrscheinlich nicht an dem Termin teilnehmen, vielleicht möchtest du das auch gar nicht 🙂 Und du wirst stattdessen da sitzen, aber das wissen die Fachbereiche jetzt gerade ja gar nicht.

Umso ranghöher die Person ist, die den Termin versendet, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Experten später im Meeting sitzen. Und jetzt geht es um die eigentliche Termineinladung. Wie würde ich die gestalten?

  • Zeitraum: heute 17 bis 20 Uhr. Ja, das ist nicht schön, das weiß ich, aber wenn das absolute Prio hat, dann muss man auch mal ungewöhnliche Wege eingehen. Und um 17 Uhr ist das Tagesgeschäft in der Regel erledigt.
  • Ich würde die Einladung mit einem Ausrufezeichen versehen und in den Betreff würde ich reinschreiben als erstes Wort: Dringend! Und dann das Thema, also zum Beispiel Kostenschätzung für Vorhaben X.
  • Jetzt kommt der eigentliche Text. Dort würde ich genau vier Zeilen unterbringen, keinen Roman schreiben, das liest eh keiner.
  • 1. Um was geht es? Also das Vorhaben.
    2. Warum das noch heute gemacht werden muss. Wo ist die Dringlichkeit?
    3. Jede Fachabteilung möge sicherstellen, dass ein Vertreter der Fachabteilung auch an diesem Meeting teilnimmt.
    4. Ganz wichtig: Eine Entschuldigung für die Kurzfristigkeit und für Essen und Trinken wird gesorgt. Es ist ja 17 Uhr bis um, was haben wir gesagt? 20 Uhr. Diesen Termin würde ich dann an alle Abteilungsleiter schicken lassen von den Fachabteilungen.

Warum nicht an die Experten selbst, wenn man die doch schon kennt? Wenn der Experte jetzt nicht kann heute Abend, dann hast du einfach nur Pech, aber der Abteilungsleiter der hat die Power von der Fachabteilung, der könnte auch noch andere Personen schicken. Und als letzten Punkt würde ich mit dem Chef noch mal klären, was ist denn der Reifegrad der Entwicklung? Da gibt es ja mindestens drei verschiedene Abstufungen.

  1. Ist das nur ein Proof of Concept, oder
  2. geht es dabei um ein MVP, also ein minimal viable Product. Das bedeutet, es ist schon Software die vor Kunde läuft, aber nur die allerwichtigste Funktion.
  3. Oder geht es dabei um ein voll ausgebautes Produkt mit super duper Betriebsführung, alles konfigurierbar. Das macht noch mal extrem große Unterschiede bei der Entwicklung.

Jetzt geht es um die Vorbereitung des eigentlichen Termins, bei dem dann geschätzt wird. Und dafür würde ich alle Termine für heute absagen, beziehungsweise umlegen. Du brauchst jetzt nämlich Zeit das Meeting sehr gut vorzubereiten. Umso einfacher hast du es später. Der Termin selbst wir dadurch total easy mit folgenden Vorgehen. Ich würde eine Unterlage erstellen und diese Unterlage hat vier Themen.

Erstes Thema: Der Auftrag. Da sitzen dann später mehrere Vertreter der Fachabteilung in dem Meeting und was denen durch den Kopf gehen wird, sind zwei Fragen erstmal. Und zwar: Um was geht es? Und: Warum ist die Kostenschätzung so dringend? Das gehört für mich zu dem Auftrag. Erster Punkt: Den Auftrag erklären. Und ich würde es mir auch nicht nehmen lassen, zumindest auf der Tonspur, mal zu erzählen, wie ich zu dem Auftrag gekommen bin, ansonsten denken die, ich bin ein total verpeilter Projektleiter, dem noch kurz vor Schluss eingefallen ist, “oh ich brauche ja noch eine Kostenschätzung bis morgen”, da mal schnell alle zusammentrommeln. Sondern, die können ruhig erfahren, dass du einfach in sehr schwierigen Auftrag geerbt hast.

Zweites: Die Infos, also die Anforderungen, die du von deinem Chef bekommen hast, die würde ich bestmöglich strukturieren und dokumentieren.

Das wird dann später die Basis um die Anforderung im Meeting aufzudröseln und überhaupt erstmal schätzbar zu machen. Das Schätzen sollte zumindest nicht so ablaufen wie: “Sag du mal eine Zahl für alles”, “sag du mal eine Zahl für alles”, “du auch” und jetzt bilden wir mal alle zusammen die Summe und teilen das durch die Anzahl der Teilnehmer.

Nein. Jeder sollte nur seinen Bereich schätzen, bei dem er Experte ist und dafür muss man die einzelnen Bereiche erstmal aus dem großen Ganzen schneiden, dass sie überhaupt einzeln schätzbar werden. Es gibt dafür viele verschiedene Möglichkeiten oder Methoden. Was mir gut gefällt ist die Methode User Story Mapping.

Dann geht es weiter und zwar zum Thema Schätzmethoden. Da gibt es auch Methoden, wie Sand am Meer. Da am Ende eine Kostenschätzung verlangt wird und nicht nur eine Zeitschätzung, würde ich zum Beispiel ungern mit Story Points arbeiten. Die sind dazu nicht so gut geeignet. Ich würde Personentage schätzen lassen und diese später mit einem bestimmten Tagessatz multiplizieren.

Kann sein, dass du ganz andere Erfahrungen gesammelt hast und, dass du sagst: “Mensch, wir sind so ein geschwungenes Scrum-Team, ich kann die Story Points später eins zu eins in Personentage umrechnen mit einem Faktor”. Prima. Dann kannst du das natürlich gerne machen. Was sich bei mir als Schätzmethode bewährt hat, das ist Folgendes: Ich würde in dem Fall schätzen lassen:

Best Case in Personentage für etwas. Das Design zum Beispiel für eine bestimmte User Story. Dann würde ich nachfragen bei dem Designer. Nehmen wir das Beispiel Benutzer registrieren. Dafür müssen Masken gebaut werden. Schätzt doch bitte mal best Case, jetzt schätzt doch bitte mal worst Case und dann wird automatisch der Mittelwert davon berechnet.

Das ist eine recht einfache Methode, die aber ganz gut funktioniert.

Und ganz wichtig: Ich würde zu jeder Schätzung immer die Annahmen von denen Personen, die schätzen dahinter schreiben. 

Und der letzte Punkt. Das ist die Excel-Liste, um die Schätzung später auch einzutragen.

Kurze Wiederholung: Vier Punkte würde ich in der Unterlage sehen.

  1. Dass Erste ist der Auftrag.
  2. Das Zweite sind die Anforderungen, die Infos von deinem Chef.
  3. Das Dritte sind die Methoden. Einmal um die Anforderungen zu strukturieren und die Schätzmethode zu beschreiben.
  4. Und das Vierte ist dann die Excel-Liste selbst.

Wenn das erledigt ist, dann hast du deine Hausaufgaben gemacht! Dann würde ich als nächstes jetzt hergehen und würde Pizza und Getränke bestellen.

Dabei bitte nicht geizig sein! Die Leute die müssen zu Hause auch umplanen und das hat doch etwas mit dem Thema Wertschätzung zu tun.

Estimation meeting

Dann kommen wir zum Termin selbst. Es ist 17 Uhr, die Mitarbeiter trudeln ein. Die haben schon sieben bis acht Stunden gearbeitet und jetzt gibst du komplett Vollgas. Von der ersten Minute. Nein, natürlich nicht 🙂

Jetzt würde ich erst mal 15 bis 20 Minuten Zeit nehmen, damit die Leute etwas essen und trinken können, dass sie Smalltalk machen und erstmal bisschen runterkommen können. Das erleichtert später die Kostenschätzung. Und wenn der Zuckerspiegel im Keller ist, dann hast du da eh Probleme.

Jetzt wird das eigentlich sehr einfach. Und zwar nach diesen 20 Minuten Pause gehst du einfach diese Unterlage Punkt für Punkt durch. Also, als

  1. erstes Auftrag klären, als
  2. zweites Anforderungen zeigen, als
  3. drittes die Methoden zur Anforderungsstrukturierung und zum Schätzen vorstellen. Und als
  4. viertes dann die Schätzung selbst durchführen.

Was jetzt noch sein kann, dass manche Mitarbeiter während der Schätzung sagen, dass sie keine Schätzung abgeben können oder möchten. Das kann zum Beispiel sein, dass bestimmte Informationen fehlen und die fühlen sich dann nicht in der Lage eine Schätzung abzugeben. In diesem Fall würde ich mit Annahmen arbeiten. Das heißt, sag ihnen sie dürfen für Informationslücken, eigene Annahmen machen und auf diesen Annahmen dann schätzen. Wichtig ist nur, dass diese Annahme später auch in die Schätzung mit aufgenommen werden.

Am Ende des Meetings, wie bei jedem anderen guten Meeting auch, würde ich ein Ergebnisprotokoll erstellen und beides zusammen mit der Kostenschätzung an alle versenden die im Meeting waren. Ich würde es noch nicht an meinen Chef versenden, weil es noch nicht endgültig abgestimmt ist unter allen.

Das heißt, alles an die an die Kollegen versenden, die bei der Schätzung dabei waren und sie bitten ihr schriftliches okay dazu zu geben, zum Protokoll, wie auch zur Schätzung.

Und wenn du das erhalten hast, dann kannst du die Kostenschätzung inklusive Ergebnisprotokoll auch an deinen Chef versenden und alle anderen ins CC nehmen.

Warum sollte man das Meeting am gleichen Tag machen?

Das hat drei Gründe.

  1. Am nächsten Tag werden die Kalender der Mitarbeiter voll sein und es wird schwierig mit allen einen 3-Stunden-Termin abzustimmen. Am gleichen Tag, nach 17 Uhr, da sind die Kalender in der Regel leer.
  2. Du hast keinen Puffer mehr! Du stehst richtig unter Druck zu liefern und das sollte man grundsätzlich vermeiden, wenn einem die Gesundheit am Herzen liegt. 
  3. Um die Nacht zur Reflektion zu nutzen. Ich weiß, das hört sich jetzt etwas esoterisch an, aber das Unterbewusstsein wird nachts noch einmal die Schätzung durchgehen und nicht selten kommen Mitarbeiter morgens noch einmal vorbei und bitten dann darum diese Schätzung noch mal zu verändern. Zum Beispiel, weil sie etwas vergessen haben in der Schätzung. Und durch diesen simplen Trick erhöht man die Schätzqualität.

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